Marta und Maria

Am Sonntag versammeln wir uns als Gemeinde in der Kirche, um die heilige Messe zu feiern. Das tun wir, um die Gegenwart Gottes in der heiligen Eucharistie zu erfahren. Die Eucharistie ist ohne Zweifel der Höhepunkt der heiligen Messe und die Eucharistiefeier die höchste und intensivste Form des Gottesdienstes und der gemeindlichen Zusammenkunft.

Aber Jesus ist nicht nur in der Eucharistie zugegen, sondern auch im Wort.

Im Angelus Gebet – bekannt auch als „Engel des Herrn“ – hören wir die 3 geheimnisvollen Zeilen, die im Angelus Gebet durch das Ave-Maria getrennt sind:

  • Der Engel des Herrn brachte Maria die Botschaft und sie empfing vom Hl. Geist.

  • Maria sprach: Siehe, ich bin die Magd des Herrn, mir geschehe nach Deinem Wort.

  • Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt.

Jesus Christus ist aus dem Wort hervorgegangen, das Wort, das uns in den Gebeten, Lesungen und dem Evangelium, vorgetragen wird.

Im Lukas-Evangelium (Lukas 10, 38-42) hebt Jesus selbst die Bedeutung des Wortes – seines Wortes – für unseren Gottesdienst hervor.  

Jesus ist zu Gast bei Freunden. Es ist das Haus des Lazarus, den Jesus von den Toten erweckt hat. Die beiden Schwestern von Lazarus, Marta und Maria, sind ebenso im Haus, wie wohl auch weitere Familienangehörige. Offenbar eine vertraute Atmosphäre, in der gemeinsam gegessen wird, und in der Jesus sich wohlfühlt. Wir haben keine Information, worüber gesprochen wurde und welche Stimmung vorherrschte. Aber sicher hat es intensive Vorbereitungen gegeben, so wie wir das tun würden, wenn geschätzte, liebe Gäste erwartet werden. Und nach dem Essen ergibt sich dann die Situation, in der Marta ab- und aufräumt und sich bemüht, alles wieder in Ordnung zu bringen, damit sich die Gäste nach dem Essen weiter wohlfühlen. Maria bleibt unterdessen bei Jesus, um ihm weiter zuzuhören. Und als Marta diese Passivität kritisiert, reagiert Jesus völlig anders, als erwartet. Er sagt: „Maria hat das Bessere gewählt“. Das Gefühl sagt, dass dieses Evangelium so gar nicht zu unserer Kultur und zu unserem Verständnis passt, wie es uns schon als Kind nahe gebracht worden ist.                                       

Marta, voller Sorge und in Erfüllung ihrer gastgeberischen Pflichten tut alles, damit es Jesus gut geht. Sie bedient ihn, versorgt ihn, und ist extrem fleißig. Sie zeigt ihrem Gast, Jesus, damit ihre Wertschätzung, aber sie wird nicht gelobt und ihre Arbeit nicht hervorgehoben. Und Maria, die bei Jesus am Tisch liegt und sich nicht um die Arbeit kümmert, wird von Jesus in dieser Situation nicht getadelt.

Er bringt – wissend, dass sein Leiden und sein Tod bevorstehen – zum Ausdruck: „Solange ich bei Euch bin, hört mir zu, hört meine Worte“, und weiter: „Maria hat das Bessere gewählt“. Sie hat sich dafür entschieden, nicht die Arbeit zu verrichten, keinen aktiven Dienst zu tun, sondern sie konzentriert sich voll und ganz auf das, was Jesus sagt, sie hört auf das Wort , auf sein Wort; Und sie stellt sich ganz auf seine Gegenwart ein.

Das Mahl, die Feier, können der Anlass der Zusammenkunft im Hause des Lazarus gewesen sein, aber es wird deutlich, dass das Wort Jesu im Vordergrund steht. Also hat neben dem Höhepunkt der gemeindlichen Zusammenkunft, der heiligen Messe mit der Eucharistie, der Wort-Teil des Gottesdienstes ebenfalls eine hohe Bedeutung.

Gemäß der Verlautbarungen des II. Vatikanischen Konzils sprechen wir von den zwei Tischen, nämlich dem Tisch der Eucharistie, dem Altar, und dem Tisch des Wortes, dem Ambo.  

„Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt“ (Joh. 1,1.14) – Jesus selbst ist das Wort! Mitten unter uns. Das heißt auch, Jesus ist gegenwärtig im Wortgottesdienst am Tisch des Wortes.

Und deshalb gebührt ihm darin – so wie im Hause des Lazarus – jede Aufmerksamkeit, jede Andacht.

Wenn Jesus im Wort in unserer Mitte ist, dann lösen wir uns für eine kurze Zeit von allem, was uns im Alltag sonst beschäftigt. Wir machen uns frei, das Wort aufzunehmen.

Basilius der Große hat im 4. Jahrhundert gesagt:

“Der Christ soll das Evangelium so hören,
als wäre der HERR zugegen;
er braucht daher nicht diejenigen zu beneiden,
die den HERRN selbst gesehen haben,
denn im Evangelium spricht der HERR selbst.
Das Wort Gottes ist daher neben dem eucharistischen Leib das tägliche Brot,
um das wir im Vaterunser beten und das die Kirche uns täglich reicht.”

Jesus hat seine Worte in diesem Lukas-Evangelium sorgsam gewählt. Er sagt nicht, Maria hat sich für das Richtige entschieden, sondern Maria hat sich für das Bessere entschieden, für das Wort, für das interessierte Hören, für die Andacht, für die Aufmerksamkeit der Gegenwart Jesu.

(Jürgen Kuper)